Die Finanzwelt ist kompliziert geworden, für Außenstehende fast undurchdringlich. Neben Banken mischen jetzt Fintechs die Branche auf und nicht selten geht es dabei um elektronisches Bargeld. Wir klären auf, was sich hinter diesen Unternehmen verbirgt.
Von Ralf Ohlhausen, Business Development Director, PPRO Group
Die Finanzwelt ist eine eigene Welt, mit eigenen Werten und Begriffen. Außenstehende verstehen da oft nur Bahnhof. Viele Deutsche haben noch nie von Fintechs gehört und wenn sie den Begriff in den Nachrichten gehört haben, können sie damit nichts anfangen. Was man aber zumindest kennt, sind die klassischen Banken, auch wenn hier meist gefühltes Wissen vorliegt, denn wenn man Kunden fragt, was eine Bank genau ausmacht, dann werden die angeführten Argumente meist ziemlich dünn.
Eine Bank muss weder Filialen betreiben noch Geldautomaten aufstellen. „Bank“ darf sich auch nicht jedes Unternehmen einfach nennen. Vielmehr müssen nach dem Kreditwesengesetz Unternehmen, die Banken sein wollen, eine Banklizenz besitzen. Diese Erlaubnis der zuständigen Bankenaufsicht gibt es nur dann, wenn die gestellten Anforderungen erfüllt werden. Die Bankenaufsicht samt den vorgegebenen Spielregeln ist Ländersache, in Deutschland gibt es dafür die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin.
Fintechs – wie Banken, nur innovativer
Ganz grob gesprochen wird man nur dann Bank, wenn man eine Banklizenz hat. Die seit Jahren aus dem Boden sprießenden Fintech-Unternehmen (Fintechs), haben in den meisten Fällen keine volle Banklizenz und sind damit auch keine Banken. Manches Fintech hätte vielleicht gern so eine Lizenz, aber Banklizenzen sind nur sehr aufwändig zu bekommen und deshalb überlegt man es sich in der Praxis meist zweimal, ob man sich an dieses Thema wagt. Fintechs haben ihre Stärken auch oft ganz woanders, das belegt schon der, denn der bedeutet „Financial Technology“.
Es geht also nicht um verstaubte Buchungssysteme oder Aktenschränke voller Kontoauszüge. Fintechs umfassen ein weites Feld moderner Technik rund um Finanzdienstleistungen, wie zum Beispiel das Bezahlen von Smartphone zu Smartphone, Girokonten-Apps, Kreditvergleiche im Internet usw. Es handelt sich zudem oft um kleine Startups oder sie fangen zumindest als kleine, Technologie-getriebene Startups an, die Neuheiten schnell auf den Markt bringen. Manche wachsen, viele sterben und einige werden auch aufgekauft oder arbeiten eng mit Banken zusammen. Genau das ist es, was die Fintech-Welt heute ausmacht.
Es geht diesen Unternehmen nicht darum, Banken abzulösen, sie sind vielmehr Innovationstreiber für Banken geworden. Fintechs haben erkannt, sie können nicht Bank sein und Banken haben erkannt, sie können kein Fintech sein. Also liegt es nahe, sich zusammenzuschließen.
Fintechs nutzen den Netflix-Effekt
Was Banken und Fintechs in der Praxis unterscheidet, kann man sehr schön mit dem Netflix-Effekt erklären. Der Streaming-Dienst hat eine Sache sehr gut verstanden: seine Kunden. Wer Netflix nutzen will, geht auf die Webseite und meldet sich in Minuten an. Dann kann es sofort losgehen mit Filmen und Serien. Werbung? Fehlanzeige! Das mögen die Kunden nicht. Stattdessen gibt es eine Autoplay-Funktion, sodass bei einer Serie die einzelnen Folgen nacheinander durchlaufen, ohne dass die Zuschauer irgendetwas machen müssen. Die Netflix-Seite ist die Seite der Fintechs, auch sie haben bei ihren Produkten und Dienstleistungen stets den Nutzer im Blick. Finanz-Apps sind sehr schnell eingerichtet, überaus einfach zu benutzen und zeigen dem Nutzer genau das an, was er will.
Rückmeldungen auf Anfragen in Echtzeit, kein Problem, Personalisierung der App, sowieso, Zusatzservices wie zum Beispiel Bonus-Programme oder Mobile Payment als Bezahloption, natürlich. Geht das Anlegen eines Girokontos ähnlich schnell? Kann man es in zwei Minuten online erledigen?
War der Prozess kundenfreundlich? Nein, sicher nicht. Die Fintechs bringen also die Technik ein und das Wissen über das, was die Kunden wollen. Banken sind das Tor zu den Kunden, außerdem gibt es die Infrastruktur im Hintergrund, also die Bankkonten, die für viele Dienste immer noch die Grundlage sind.
Synergien – einer profitiert vom Mehrwert des anderen
Banken auf der einen und Fintechs auf der anderen Seite und dazwischen eine Brücke als Verbindung, dieses Bild mag oft zutreffen, aber es gibt auch Ausnahmen. Manche Fintechs streben nach Höherem und verfolgen das Ziel, selbst eine Bank zu werden. Mit der eigenen Vollbank-Lizenz sind sie rechtlich gesehen eine Bank und dürfen den Zusatz „Bank“ auch offiziell im Namen tragen. Solche Fintechs können folglich auch Bankgeschäfte ausführen. Umgekehrt kümmern sich so gut wie alle etablierten Banken darum, Fintech-Wissen auf- und auszubauen, sei es als eigene Abteilung, durch Unternehmenszukäufe oder eben über Kooperationen.
E-Geld-Institute: Zwischen Bank und Fintech
Doch es gibt noch einen sehr dynamischen Markt zwischen einer klassischen Bank und einem reinen Finanztechnik-Unternehmen. Es gibt nämlich auch sogenannte Teilbanklizenzen, die nicht das gesamte Finanzdienstleistungs-Spektrum abdecken, sondern nur einen Teil, zum Beispiel eine E-Geld-Lizenz. Sie erlaubt Dienstleistungen rund um elektronisches Geld, das man sich wie digitales Bargeld vorstellen kann. Guthaben wird dabei auf einem elektronischen Gerät oder räumlich entfernt auf einem Server gespeichert. Dazu zählen zum Beispiel Prepaid-Kreditkarten, die vorab mit einem bestimmten Betrag aufgeladen werden oder Geldkarten. Unternehmen mit E-Geld-Lizenz werden als E-Geld-Institute bezeichnet. Sie geben E-Geld im Tausch gegen gesetzliche Zahlungsmittel aus. Auch E-Geld-Institute müssen wie Banken hohe Sorgfaltspflichten einhalten.
Ist ein E-Geld-Institut eine Bank?
E-Geld-Institute sind keine Banken, sondern Zahlungsdienstleister. Sie dürfen im Vergleich zu Banken zum Beispiel keine Einlagen entgegennehmen und auch Verzinsung ist ihnen nicht erlaubt. Erhält ein E-Geld-Institut (echtes) Geld von seinen Kunden, muss dieses unverzüglich in E-Geld umgetauscht werden. Kreditvergabe ist bei E-Geld-Instituten zwar grundsätzlich nicht verboten, es ist aber nur in sehr engen Grenzen möglich. Ausschließlich Banken obliegt der Scheck- und Wechselverkehr, Transport von Banknoten und Münzen sowie das Wertpapiergeschäft.
Der Vorteil von E-Geld-Instituten ist in der Praxis, dass sich viele innovative Zahlungsdienstleistungen sehr schnell und einfach umsetzen lassen, ohne die zuweilen langwierigen Prozesse einer Bank durchlaufen zu müssen. E-Geld-Institute können daher eine gute Ergänzung zur traditionellen Hausbank sein.
Banken und Fintechs als Team
Vor einigen Jahren sind viele Fintechs angetreten um Banken zu stürzen. Das hat nicht geklappt und ist heute eigentlich auch vom Tisch. Heute bilden Banken und Fintechs oft Teams, die wegen der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft und Lebenswirklichkeit eng zusammenarbeiten. Beide Seiten haben erkannt, dass es ohne den anderen nicht geht. So hat sich die neue Finanzwelt mit der alten zusammengetan.
Das ist für den Kunden eine gute Sache. Er muss sich nicht zu stark umgewöhnen, kriegt aber die Produkte, die er sich wünscht. Ein Selbstläufer ist das aber nicht. Auf Europaebene werden schon seit geraumer Zeit die Rahmenbedingungen rund um Regulierungen neu definiert.
Das Zahlungsdienstegesetz PSD2 wird ab 2018 das Zusammenspiel der Banken mit Fintechs neu regeln. Ähnlich wie schon früher bei der Telekom, Strom oder Schienennetz werden dann die Banken dazu gezwungen, ihre Infrastruktur zu öffnen und PSD2-lizensierten Drittanbietern Zugang zu den Kontoinformationen ihrer Endkunden zu geben – deren Einverständnis natürlich vorausgesetzt.
Damit wird es zweifellos sehr bald schon wesentlich mehr Konkurrenz und ein größeres Angebot an Mehrwertdiensten auch in der Finanzwelt geben.
Ich hoffe Fintechs bewegen Banken nachhaltig in eine kundenorientierter Richtung. Man ist ja schon richtig genervt von dem hoheitlichem Benehmen der Banken. Ein bisschen frischer Wind tut da ganz gut… 😉